Rede des niederländischen Ministers für europäische Angelegenheiten und internationale Zusammenarbeit, Ben Knapen, anlässlich der Eröffnung der Ausstellung »Basic Instincts« am 30. Juni 2011 in Berlin
---Gesproken woord geldt---
Sehr verehrter Herr Kulturstaatsminister,
sehr verehrte Frau van der Plas,
sehr verehrte Künstler,
meine sehr verehrten Damen und Herren!
1983 – damals war ich noch als Korrespondent tätig – schrieb ich ein Buch über die beiden deutschen Staaten. Seither hat sich viel verändert, soviel steht fest. Nicht nur sind die beiden Länder nun schon seit 21 Jahren wieder vereint, auch die allgemeine Stimmung hat sich eklatant verändert. Schrieb ich damals noch über das deutsche Unbehagen – in ferner Anlehnung an Das Unbehagen in der Kultur von Freud –, sehe ich heute ein völlig anderes Deutschland. Ein Deutschland, in dem es sich freier atmen lässt. Ein Deutschland mit viel Sauerstoff in der Luft. Ein Land auf Trab. Auch ein Land des Designs. Wer früher einen BMW kaufte, der kaufte Leistung, Zuverlässigkeit, Geschwindigkeit. Jetzt kauft er vor allem auch Design, Fashion und Marketing.
Ich bin nicht der einzige, der in Deutschland mehr Leichtigkeit, Lockerheit und Kreativität feststellt. Natürlich hat das auch seine Nachteile. So glaubt man im Ausland häufig, unsere bekannten Modedesigner Viktor & Rolf kämen aus Deutschland. Sie sehen also, es ist höchste Zeit einzugreifen. Was zu weit geht, geht zu weit!
Viele kleine niederländische Unternehmen der Kreativwirtschaft haben zwar durchaus das Talent, aber nicht immer die finanziellen Mittel, die Welt zu erobern. Darum haben die Regierung und der Kultursektor gemeinsam das Programm »Dutch Design Fashion Architecture« ins Leben gerufen, in dessen Rahmen auch die heutige Ausstellung stattfindet. DutchDFA soll die internationale Bekanntheit von Architektur, Mode und Produktdesign aus den Niederlanden fördern. Das Programm konzentriert sich auf vier Länder: auf die aufstrebenden Volkswirtschaften China, Indien und die Türkei, und auf den wichtigsten Handelspartner der Niederlande – Deutschland.
Meine Regierung glaubt an die Kreativwirtschaft. Der Sektor zählt sogar zu den von uns benannten neun wirtschaftlichen Top-Branchen. Deutschland ist für niederländische Architekten, Modeschöpfer und Designer bereits seit Jahren der wichtigste Auslandsmarkt. Viele niederländische Kreativschaffende orientieren sich nach Deutschland – von jungen Grafikdesignern bis hin zu international operierenden Architekten wie Koolhaas, van Berkel und van Egeraat.
Dennoch hat ein kürzlich erschienener Bericht von DutchDFA und der Fachhochschule Inholland Rotterdam gezeigt, dass die Möglichkeiten für niederländische Kreative mit Ambitionen und Unternehmergeist noch längst nicht ausgeschöpft sind. Die Modemarken G-Star und Gaastra werden in Deutschland immer populärer, ebenso wie die Entwürfe des Schuhdesigners Floris van Bommel.
Woraus entsteht Kreativität? Aus Freiraum. Die konzeptionelle Kreativität der Niederländer ergänzt sich wunderbar mit der neuen Leichtigkeit und dem stetigen Qualitätsbewusstsein der Deutschen. So hoffe ich denn auch, dass diese Ausstellung die Zusammenarbeit zwischen deutschen und niederländischen Designern weiter fördern wird.
Es ist aber nicht alles Gold, was glänzt. Der deutsche Markt ist groß, der Wettbewerb ist hart. Außerdem denken viele Niederländer, sie würden Deutschland kennen. Weil es direkt nebenan liegt oder weil sich die Sprachen so ähnlich sind. In Wirklichkeit sind die Unterschiede aber oft größer, als man denkt. Diese Unterschiede muss man kennen und verstehen, um im Nachbarland erfolgreich sein zu können.
Das erfordert einige Anstrengungen. Aber Deutschland ist diese Anstrengungen wert. Denn in kultureller und wirtschaftlicher Hinsicht können wir Niederländer noch viel von Deutschland lernen. Anders ausgedrückt: Wir nehmen uns gern ein Beispiel an Ihnen. Natürlich auch in der Hoffnung, dass man in Deutschland irgendwann weiß, dass Viktor & Rolf tatsächlich aus Holland kommen.
Auch in anderen kulturellen Bereichen bietet sich eine engere Zusammenarbeit an. Beispielsweise bei gemeinsamen Filmproduktionen. Wie ich gehört habe, haben Sie, Staatsminister Neumann, während Ihres Besuchs in Den Haag großes Interesse an diesem Thema gezeigt. Wir würden die Möglichkeiten im Filmsektor gern näher mit Ihnen erörtern.
Meine Damen und Herren!
Premsela, das niederländische Institut für Design und Mode, hat für die Ausstellung »Basic Instincts« die Werke von über fünfzig niederländischen Modeschöpfern, Designern, Architekten und Künstlern zusammengestellt. Mir fällt besonders positiv auf, dass nicht nur die Entwürfe selbst, sondern auch die Ideen, die diesen Entwürfen zugrunde liegen, zu sehen sind. Diese Ideen wurden in sechs sogenannte »Landschaften« umgesetzt, die uns einen Einblick in die Zukunft der verschiedenen Disziplinen bieten. Sie ermöglichen uns einen Blick in die Gedankenwelt, in die Köpfe der Kreativschaffenden. Das finde ich ausgesprochen inspirierend. Denn hier gilt das gleiche wie in der Politik – die Motive sind mindestens genauso wichtig wie die Ergebnisse.
Ich hoffe sehr, dass das niederländische Design in Deutschland irgendwann ebenso erfolgreich sein wird wie die niederländische Literatur. Denken Sie nur an Cees Nooteboom. Erst letztes Jahr noch erhielt er den prestigeträchtigen Literaturpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung. Möge Nooteboom nicht nur ein »Pilger auf dem Weg in ein fernes Land« sein, wie Rüdiger Safranski schrieb, sondern auch ein leuchtendes Vorbild für niederländische Kreativschaffende, die auf Erfolg in Deutschland hoffen.
Ich danke Ihnen.