Deutsch Niederlandische Konferenz
"Nederland en Duitsland delen niet alleen een grens, maar ook een gezamenlijke visie op de maatschappij". Dat zegt staatssecretaris Timmermans in zijn speech bij de opening van de Nederlands-Duitse Conferentie in Rotterdam. Die gezamenlijke visie op een solidaire en verantwoordelijke overlegeconomie staat door het uit de VS overgewaaide aandeelhouderskapitalisme onder druk. "We moeten waken voor teveel nadruk op het kortetermijnbelang." Hij pleit voor meer openheid van zaken bij de hedgefondsen, bijvoorbeeld via een vrijwillige gedragscode.
Donnerstag, 10. Mai 2007
Deutsch-Niederländische Konferenz
ING-Toren, Rotterdam
Europaminister Frans Timmermans
Einleitung
Heute ist der 10. Mai. Ein besonderer Tag. Vor genau 67 Jahren begann die Operation „Fall Gelb“, die Eroberung der Niederlande, Belgiens und Luxemburgs durch die deutsche Wehrmacht. Die X-Zeit, der Zeitpunkt des Angriffs, war auf 5.35 Uhr deutscher Zeit festgesetzt. Als zwanzig Minuten später die Sonne aufging, war die Bombardierung des Flughafens Waalhaven hier am anderen Ufer der Maas in vollem Gange. Gut eine Stunde danach sprangen die ersten deutschen Fallschirmjäger ab, und auf der Maas landeten Wasserflugzeuge.
Der damalige deutsche Gesandte in Den Haag, Graf von Zech-Burkersroda, war angewiesen, der niederländischen Regierung eine Erklärung zu übergeben, in der Berlin die holländische Seite zum Verzicht auf militärische Gegenwehr auffordert. Es fiel ihm schwer, diesen Auftrag auszuführen. Zwölf Jahre hatte er das Deutsche Reich in Den Haag vertreten. In dieser Zeit hatte er die Niederlande kennen- und schätzen gelernt. „Er weinte und war nicht einmal in der Lage, vorzulesen, was da auf dem Zettel stand“ – so schilderte Außenminister van Kleffens diese Begegnung später. Seine Antwort ließ freilich an Klarheit nichts zu wünschen übrig: Unter keinen Umständen würden die Niederlande auf die deutsche Forderung eingehen.
Zum Abschied schüttelte van Kleffens Graf Zech die Hand. Diese Geste hat man ihm lange nachgetragen. Denn gute Deutsche gab es einfach nicht mehr. Bis lange nach dem Krieg blieben Deutsche „moffen“. 67 Jahre danach ist dieses Gefühl verschwunden. Nach einer Erhebung, die letzte Woche veröffentlicht wurde, denken Niederländer heute noch einmal positiver über die Deutschen als vor zehn Jahren. Für uns sind Deutsche in erster Linie freundliche und hart arbeitende Zeitgenossen. Und eine Mehrheit hat auch nichts mehr dagegen, dass Deutsche den Feierlichkeiten am 4. Mai beiwohnen, wenn überall in den Niederlanden der Landsleute gedacht wird, die seit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs in Kriegssituationen und bei Friedensoperationen ums Leben gekommen sind.
Identität
Die Zeit heilt alle Wunden, heißt es. Aber das ist nur ein Teil der Wahrheit. Am Ende sind es Menschen, die die Kraft finden, die Vergangenheit hinter sich zu lassen und nach Gemeinsamkeiten zu suchen, statt Unterschiede zu betonen. Nach dem Zweiten Weltkrieg war das schwieriger denn je – Sie brauchen nur einen Blick aus dem Fenster zu werfen: dort befand sich einst das historische Zentrum Rotterdams. Umso mehr Anerkennung verdienen die Gründungsväter dessen, was heute die Europäische Union ist. Sie überwanden schon 1957 alles Trennende, richteten den Blick nach vorn und schafften es dank ihres Willens zur Zusammenarbeit, das Schlachtfeld, das Europa bis dato gewesen war, umzuwandeln in einen Hort des Friedens, des Wohlstands und der Sicherheit.
Gestern, am Europatag, habe ich wieder feststellen dürfen, dass er noch immer lebt, dieser Geist der Offenheit, der Annäherung und der Zusammenarbeit – auch und gerade bei der Jugend. Zugleich erleben wir in ganz Europa ein Ringen um unsere eigene Identität. Man hat lange gedacht, die nationalen Kulturen würden durch die zunehmende Internationalisierung an Bedeutung verlieren. Das rasante Tempo der Informationsverbreitung, die gewachsene Reiselust, die grenzü berschreitende Zusammenarbeit – all das würde Niederländer und Deutsche quasi automatisch zu Europäern machen. Weit gefehlt! Diese Einschätzung hat sich als Illusion erwiesen.
Eher im Gegenteil: Kulturunterschiede werden wichtiger, wenn andere Unterschiede kleiner werden. Je mehr die Grenzen verschwimmen, desto mehr stellen wir uns die Frage, was denn die eigene lokale, regionale oder nationale Identität so einzigartig macht. Diese Suche macht sich überall auf der Welt in unterschiedlichster Weise bemerkbar: von der Wiederentdeckung der eigenen Sprache in der Popmusik über die Renaissance der regionalen Küche bis hin zur neuen Popularität des traditionellen Theaters und der heimischen Mode. Auch die Nationalflagge erlebt eine neue Blüte. Letztes Jahr legten sogar die Deutschen ihre Zurückhaltung ab, und es flatterte landauf, landab die schwarzrotgoldene Fahne.
Es gibt aber auch weniger erfreuliche Ausdrucksformen jener Suche nach der eigenen Identität, zum Beispiel das Aufleben engstirnig-nationalistischer Denkweisen. Wer sich in seiner Identität bedroht fühlt, greift andere an, weil sie sind, was sie sind, und nicht weil sie handeln, wie sie handeln. So fordern bei uns manche vollmundig vor allem von ihren muslimischen Mitbürgern ein ausschließliches Bekenntnis zur niederländischen Nationalität. Als ob jeder nur eine Identität haben könnte. Die Wirklichkeit zeigt aber, dass jeder Mensch mehrere Identitäten hat. Zwei Pässe machen einen nicht zum halben Niederländer – genauso wenig, wie ein europäischer Pass uns plötzlich zu Europäern machen wü rde.
Rheinisches Modell
Sich selbst von Zeit zu Zeit die Frage stellen, wer man ist, ist durchaus gesund. Aber wir sollten keine Nabelschau betreiben. Das macht uns blind für die wesentlichen Gemeinsamkeiten, die uns Niederländer mit unseren Nachbarn verbinden – wie etwa die mit Deutschland auf dem Gebiet der Wirtschaft. Das Zusammenspiel von Arbeitnehmern, Arbeitgebern und Staat ist Bestandteil unserer gemeinsamen Identität. Und hier liegt die unmittelbare Verbindung zum Thema der heutigen Konferenz: „Die europäische Identität in Zeiten der Globalisierung“.
Unsere Konsensökonomie macht Europa zu einem Paradebeispiel für eine verantwortungsbewusste und solidarische Gesellschaft. Aber können wir diese Errungenschaft auch bewahren? Manchmal scheint es, als lägen die Niederlande mitten im Atlantik und nicht auf dem europäischen Kontinent. Und das meine ich natürlich nicht geographisch, sondern sozioökonomisch. Die Niederlande sind aber Teil des Festlandes. Sowohl im Hinblick auf das, was uns wichtig ist, als auch in der Art, wie wir dies zu erreichen versuchen, stehen sich Niederländer und Deutsche sehr nahe. Denn was ist uns wichtig? Entspannte gesellschaftliche Verh ältnisse, ein gutes Bildungsangebot für alle, ein für jedermann zugängliches Gesundheitswesen, ein faires Miteinander von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, ein solides soziales Netz und eine intakte Umwelt. Und wie versuchen wir all das zu realisieren? Mit unserer Dialogkultur, die den politischen Konsens und soziale Solidarität sucht.
Die Niederlande und Deutschland haben das gleiche Gesellschaftskonzept. Dieses gemeinsame Konzept – unser Rheinisches Modell – steht durch die Globalisierung immer mehr unter Druck. Genau diesem Thema widmete Ben Knapen letzte Woche eine Kolumne. Unter der Überschrift „Hoe plat is de wereld?“ (Wie flach ist die Welt?) zitiert er eine Äußerung von mir, die ich vor kurzem in Paris gemacht habe: „Politische Prioritäten können die Globalisierung nicht umkehren – wenn wir das denn überhaupt wollen.“
Knapen sah in dieser Äußerung die bedingungslose Ergebung in die Globalisierung, nach dem Motto: Es lässt sich sowieso nichts daran ändern. Ein tragischer Irrtum, denn ich habe, ganz im Gegenteil, dazu aufgerufen, die europ äische Zusammenarbeit zu verstärken, gerade weil ich möchte, dass wir unser Sozialmodell als wesentlichen Bestandteil unserer Identität erhalten. Und ist das nicht genau das, was Knapen in seinem Beitrag der Politik anempfiehlt?
Die rauhe Wirklichkeit des aus Amerika herübergeschwappten Shareholder-Kapitalismus, bei dem sich alles darum dreht, in einem Minimum an Zeit ein Maximum an Gewinn zu erzielen, verträgt sich nur schlecht mit unserer kontinentalen Tradition des Dialogs, des Konsenses und der Solidarität. Durch die Unternehmensübernahmen der letzten Zeit fällt dieser Kontrast in den Niederlanden jetzt besonders ins Auge. Das soziale Europa, das mir vorschwebt, schielt nicht auf den schnellen Gewinn, sondern setzt auf mittel- und langfristige Profitabilität. Ein Unternehmen gehört nicht nur den Aktionären, sondern lebt auch vom Wechselspiel zwischen Kapital, Arbeit und Management. Diese Einstellung hat uns groß gemacht, und dafür stehe ich.
Kontinuität
Lassen Sie mich vorab klarstellen, dass Übernahmen einheimischer Unternehmen nicht von vornherein verwerflich sind. Das zu behaupten wäre ein bisschen heuchlerisch, denn umgekehrt haben wir ja auch nichts dagegen, wenn niederlä ndische Unternehmen im Ausland große Übernahmen tätigen. Viel wichtiger ist aber, dass die Internationalisierung dazu beigetragen hat, dass die Leitung gro ßer Unternehmen wesentlich stärker als früher nach den Ergebnissen beurteilt wird. Viele Übernahmen sind überhaupt nur möglich, weil die Leistungen hinter den Erwartungen zurückbleiben. Das kann man schwerlich dem Spekulationskapital anlasten.
Wir müssen uns aber vor einer einseitigen Fixierung auf kurzfristige Interessen hüten. Ein Unternehmen hat nicht nur Aktionäre. Das ungezügelte Streben nach raschem Profit führt zu unnötigen Entlassungen und zu rückläufigen Investitionen in das Humankapital. Eine so kurzsichtige Einstellung geht nicht nur auf Kosten der Arbeitnehmer, sondern auch auf Kosten der Investitionen in Forschung und Entwicklung und in neue Märkte. Dies alles gefährdet die lä ngerfristige Profitabilität der Unternehmen. Dass sich selbst der Chef des Arbeitgeberverbandes VON-NCW, Bernard Wientjes, und der Vorsitzende des Wirtschafts- und Sozialrates SER, Alexander Rinnooy Kan, besorgt über diese Tendenzen geäußert haben, bestärkt mich in meiner Überzeugung, dass die Aktionä re in den Niederlanden mittlerweile zu viel Einfluss haben.
Ich will nicht verhehlen, dass mich als Sozialdemokraten andere Dinge umtreiben als die Position der Vorstände großer Unternehmen. Die Erfahrung lehrt, dass die sehr gut für sich selbst sorgen können. Mir geht es vielmehr um die Erhaltung unseres Rheinischen Modells. Es hat keinen Sinn, mit akti vistischen Anlegern, die in möglichst kurzer Zeit möglichst große Gewinne machen wollen, über sozial verantwortliches Unternehmertum oder Pra ktikumsplä tze für Jugendliche aus Problemvierteln zu reden. Dafür braucht man Kontinuitä t. Und deshalb müssen wir uns Gedanken machen über die Machtverhältnisse zwischen den Aktionären und den Vorständen. Denn belastbare Sozialvereinbarungen setzen starke Sozialpartner voraus.
Prioritäten
Die Diskussion über die Wahrung unseres Sozialmodells beschränkt sich nicht auf die Niederlande, sie findet überall in Europa statt. Auch in der Bundesregierung macht man sich Sorgen über das Fortbestehen des Rheinischen Modells.
Kürzlich hat Bundesfinanzminister Steinbrück Initiativen zur besseren Kontrolle von Spekulationskapital angekündigt und mitgeteilt, dass Deutschland als G8-Vorsitz im Juni Vorschläge für einen freiwilligen Verhaltenskodex für Hedgefonds unterbreiten wird. Bislang bleibt es meist im Unklaren, woher das Geld der Fonds stammt und was sie damit vorhaben. Wenn es den Industrienationen gelingt, so Steinbrück weiter, die wichtigsten zehn bis zwanzig Prozent der Hedgefonds dazu zu bewegen, mehr Transparenz zu schaffen, dann erhält man Einblick in bis zu achtzig Prozent des gesamten Finanzvolumens. Das wäre in der Tat ein Durchbruch. Wenn sich die EU diesen Monat mit dem deutschen Vorschlag f ür einen Verhaltenskodex befasst, werden sich die Niederlande konstruktiv daran beteiligen.
Größere Transparenz ist wichtig, damit ein ausgewogeneres Verhältnis hergestellt werden kann zwischen den kurzfristigen Interessen der Aktionäre und den langfristigen Interessen der Arbeitnehmer, des Unternehmens als Ganzes und seinen Kunden. Für mich ist das aber nicht die einzige Priorität. Meines Erachtens sollten wir uns auch mit der Praxis beschäftigen, die man etwas unfein als „Einheimsen von Stimmrechten“ bezeichnen könnte – ich meine das „empty voting“. Worum geht es dabei? Fonds mit vergleichsweise geringer wirtschaftlic her Bedeutung können mit Hilfe geliehener Stimmrechte überproportional viel E influss ausüben. Es stellt sich die Frage, ob eine solche Praxis so ohne weiteres erlaubt sein sollte.
Ich frage mich auch, ob die Belohnungsanreize für die Mitglieder vieler Vorstände angemessen sind. Häufig ist es so, dass sie sich gute Unternehmensergebnisse mit Optionsprogrammen versilbern lassen können. Der Gedanke, der dahintersteckt, ist vom Prinzip her gar nicht so falsch, auch wenn diese Regelungen häufig unverhältnismäßig großzügig gestaltet sind. Das eigentliche Problem besteht darin, dass die Vorstände dadurch – und das gilt in gleichem Maße für die Aktionäre – angespornt werden, schnell Ergebnisse zu erzielen, auch wenn das längerfristig möglicherweise gar nicht vernünftig ist. Wenn Vorstandsmitglieder sich wie echte Unternehmer verhalten sollen, dann mü ssen sie gerade für langfristig angelegtes Handeln belohnt werden.
Ich denke, dass wir auf diesem Gebiet auch noch weiter vorankommen, wenn wir die Vorschriften für die Offenlegung von Unternehmensbeteiligungen verschärfen. Alle Aktionäre, die mehr als fünf Prozent der Anteile eines Unternehmens halten, müssen namentlich bekannt sein. In der Praxis ist es aber so, dass Hedgefonds schon mit einem oder zwei Prozent der Anteile den Vorstand zu weitreichenden Entscheidungen zwingen können. Deshalb ist die Frage berechtigt, ob der prozentuale Anteil, ab dem Aktionäre ihre Beteiligung offenlegen müssen, nicht nach unten korrigiert werden muss.
Aus meiner Sicht lassen sich also durchaus konkrete Fortschritte erzielen, wenn es darum geht, das Rheinische Modell zu bewahren. Mal werden wir dazu nationale Instrumente einsetzen können, mal europäische. Wichtig ist, dass wir auch weiterhin mit unseren europäischen Partnern das Gespräch über die Zukunft unseres sozialen Europas suchen. Und für mich kommt Deutschland in diesem Zusammenhang eine besondere Rolle zu.
Bernd Müller
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir, dass ich Sie zum Schluss auf ein Musterbeispiel für gelebte deutsch-niederländische Zusammenarbeit aufmerksam mache.
Zwei der hier Anwesenden haben sich in den vergangenen Jahren in besonderer Weise für die Beziehungen zwischen unseren Ländern eingesetzt: Lily Sprangers und Bernd Müller. Lily hat diese Konferenz gemeinsam mit Mitarbeitern meines Hauses organisiert. Seit nunmehr zehn Jahren steht sie an der Spitze des Deutschlandinstituts in Amsterdam, und sie hat maßgeblich dazu beigetragen, das negative Image Deutschlands in den Niederlanden in ein positives zu verwandeln. Dafür möchte ich ihr hier an dieser Stelle im Namen der niederländischen Regierung sehr herzlich danken.
Auch auf deutscher Seite gibt es viele, die mit großem Eifer bei der Sache sind. Bernd Müller ist so jemand, der sich seit vielen Jahren mit großem persö nlichem Engagement den deutsch-niederländischen Beziehungen widmet. Er ist
• ein Mann, der sich sowohl im Rahmen seiner Arbeit als auch in seiner Freizeit immer für die Verständigung zwischen unseren beiden Völkern stark gemacht hat;
• ein Mann, der ganz wesentlich zum Aufstieg der niederländischen Literatur auf der Frankfurter Buchmesse beigetragen hat;
• ein Mann, der sich jetzt aus seiner Funktion in der nordrhein-westfälischen Landesregierung heraus für die Stärkung unserer bilateralen Beziehungen einsetzt;
• ein Mann vor allem, der als Dozent an der Journalistenschule in Utrecht und an der Freien Universität Amsterdam vielen Studierenden das Deutschland hinter den Vorurteilen nähergebracht hat, und das zu einer Zeit – ich sprach eingangs davon –, als das alles andere als selbstverständlich war.
Sehr verehrter Dr. Müller, lieber Bernd, es ist mir eine große Ehre, dir mitteilen zu können, dass Ihre Majestät die Königin dich zum Ritter im Orden von Oranien-Nassau ernannt hat.
Ich bitte dich, nach vorne zu kommen, damit ich dir die Auszeichnung anstecken kann.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.